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Veröffentlicht im Liechtensteiner Vaterland am 20.07.2021 von Manuela Schädler.

Die IG Elternzeit überreicht im August eine Petition an den Landtag. Ein Zwei-Phasen-Modell soll den Elternurlaub neu regeln.

Die bezahlte Elternzeit nach der Geburt eines Kindes muss in Liechtenstein bis August 2022 neu geregelt werden. Dies schreibt eine EU-Richtlinie vor. Die Interessensgemeinschaft IG Elternzeit, welche sich vergangenen Herbst gegründet hatte, hat nun die Initiative ergriffen und eine Petition ausgearbeitet, wie ein liechtensteinisches Modell aussehen könnte. Im August wird sie dem Landtag überreicht, wie die Initianten gestern mitteilten. Sie bitten den Landtag, die Regierung damit zu beauftragen, bis Ende Jahr einen Vorschlag zur Einführung einer flexiblen, bezahlten Elternzeit auszuarbeiten. Der grosse Knackpunkt wird die Finanzierung sein.

Flexible Elternzeit soll Chancengleichheit fördern

Dass die Zeitvorgabe ambitioniert ist, ist der IG Elternzeit bewusst. Doch die Zeit dränge, da Liechtenstein bis in einem Jahr die EU-Richtlinie umgesetzt haben müsse. Bisher sei noch nichts vernommen worden, dass etwas in diese Richtung geplant ist. «Wir präsentieren der Regierung jedoch eine Lösung, die umsetzbar und mehrheitsfähig ist», sagt Stephan Agnolazza-Hoop, Vorstandsmitglied der IG Elternzeit.

So soll die Elternzeit in zwei Phasen eingeteilt werden und für neugeborene Kinder als auch bei der Aufnahme eines Adoptiv- oder Pflegekindes gelten (siehe Zweitstoff). Ein Modell, das auch Österreich anwendet. Trotzdem ist der Vorschlag eigens für Liechtenstein ausgearbeitet. «Unser Anspruch war, eine zeitgemässe Lösung für alle Familien im Land zu entwickeln, die aber auch wirtschaftlich verträglich ist», hält Agnolazza-Hoop fest. Dabei hat der Verein auch die Vorgaben der EU-Richtlinie einfliessen lassen.

Die Elternzeit soll so flexibel wie möglich gestaltet und auf bis zu vier Jahre ausgelegt werden. So sollen Familien zwischen den verschiedenen Familienmodellen wählen können. Mit der heutigen starren Regelung wird vor allem das klassische Modell bevorzugt. «Uns geht es auch darum, die Chancengleichheit zu fördern», erklärt Stephan Agnolazza-Hoop. Wird die Kinderbetreuung zwischen den Elternteilen aufgeteilt, haben Frauen auch bessere Karrierechancen. Elternzeit trage dazu bei, das ungenutzte Potenzial bei inländischen Fachkräften zu erhöhen.

Verschiedene Inputs einfliessen lassen

Um eine Lösung zu präsentieren, die auch umsetzbar ist, hat der Verein das Gespräch mit interessierten Personen von Elterngruppierungen, Gewerkschaften oder des Gesellschaftsministeriums gesucht. Die Petition beinhaltet nun einen Kompromiss der verschiedenen Inputs.

Auch den Landtagsfraktionen der verschiedenen Parteien hat die IG Elternzeit ihren Lösungsvorschlag präsentiert. «Die Resonanz war sehr positiv», so Agnolazza-Hoop. Weitere Anmerkungen konnten ebenfalls in die Petition einfliessen. Die Initianten sind nun sehr gespannt auf die Landtagsdebatte. «Der Teufel steckt wie immer im Detail», weiss der Initiant.

Vor allem die Finanzierung wird der schwierigste Punkt sein. In dieser Hinsicht konnte der Verein keinen konkreten Vorschlag machen, da zu wenige Daten vorliegen. Deshalb sei dies die Aufgabe der Regierung, ein Finanzierungsmodell auszuarbeiten. Die Gesamtkosten für bezahlte Elternzeit in Liechtenstein werden auf 25 Millionen Franken geschätzt. Die IG Elternzeit schreibt in der Petition, dass die Erhöhung des Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrags die logische Lösung sei. Die Initianten würden deshalb eine Einführung einer eigens dafür vorgesehenen Kasse befürworten.

Liechtenstein soll einen flexibel gestaltbaren Elternurlaub einführen. So das Ziel der IG Elternzeit. Dabei steht das Kindswohl im Vordergrund. Der Vorschlag baut auf einem Zwei-Phasen-Modell auf, welches sich in eine «Kennenlernphase» und eine «Bindungsphase» aufteilt. Die beiden Phasen unterscheiden sich vor allem in der Vergütung und der beziehenden Dauer.

Kennenlernphase

Die erste Phase der Elternzeit ist im ersten Lebensjahr des Kindes zu beziehen. Der Mutterschutz muss direkt nach der Geburt des Kindes bezogen werden und beträgt zehn Wochen. Zusätzlich kommen vier Wochen Mutterschaftsurlaub dazu, welche die Mutter beziehen kann. Die bezahlte Vaterschaftszeit beträgt zwei Wochen und soll anlässlich der Geburt des Kindes genommen werden. Weiters sieht die erste Phase eine übertragbare und flexible Elternzeit von acht Wochen vor. Die Eltern können sich diese Zeit flexibel einteilen und es steht ihnen frei, einer Arbeit auch Teilzeit nachzugehen. Die Elternzeit der ersten Phase soll mit 80 Prozent des AHV-pflichtigen Lohnes vergütet werden.

Bindungsphase

Der Bezug der zwei Phasen kann sich überschneiden. Die zweite Phase, also die Bindungsphase, ist sowohl für das erste Lebensjahr als auch für die Zeit bis zur Vollendung des vierten Lebensjahres des Kindes gedacht. In dieser stehen jedem Elternteil je acht Wochen bezahlte Elternzeit zur Verfügung, welche nicht übertragbar ist. Diese wird mit 80 Prozent des AHV-pflichtigen Lohnes vor der Geburt des Kindes bis zu einem maximalen Betrag von 4175 Franken pro Monat vergütet. Zusätzlich steht es den Eltern frei, weitere übertragbare 16 Wochen Elternzeit zu beziehen, die allerdings unbezahlt sind. Die Bindungsphase kann auch nur teilweise oder in Teilzeit bezogen werden.

Vergleich zur aktuellen Lage

Insgesamt wären dies 56 Wochen Elternzeit, wovon 40 Wochen bezahlt werden. Im Vergleich: Die aktuelle gesetzliche Regelung sieht einen 20-wöchigen bezahlten Mutterschaftsurlaub vor. Weiters ist ein unbezahlter Elternurlaub von 16 Wochen möglich, den Mutter und Vater beziehen können. Für den Vater besteht kein Anspruch auf bezahlten Vaterschaftsurlaub.