Veröffentlicht im Vaterland am 20.12.2022 von Valeska Blank.
Es ist falsch, beim Elternurlaub von Minimalvariante zu sprechen
Die Regierung wehrt sich gegen die Vorwürfe, dass der Elternurlaub-Vorschlag nicht genüge. Beim Zwist geht es hauptsächlich ums Geld.
Der erste Wurf hat seine Zeit gedauert. Seit vergangener Woche liegt er nun auf dem Tisch: Der Vorschlag der Regierung, wie ein Eltern- und Vaterschaftsurlaub in Liechtenstein künftig geregelt werden könne. Er geht nun bis Mitte März in Vernehmlassung.
Was jetzt schon klar ist: Viele in die Thematik involvierte Gruppen sind alles andere als glücklich über den Vorschlag. Wie schon im Vorfeld, als die Finanzierung eines bezahlten Elternurlaubs die grosse Knacknuss war, geht auch jetzt besonders um eines: Das Geld.
Kritiker stellen die Frage nach der Leistbarkeit
Wie der Elternurlaub vergütet werden soll (s. Box), hat eine Welle der Kritik hervorgerufen. So fragt sich die IG Elternzeit: «Wie soll sich eine Familie in Liechtenstein mit knapp 2500 Franken pro Monat über Wasser halten?» Die Gewerkschaft LANV doppelt nach: Einmal mehr sei eine familienfreundliche Vorlage arbeitgeberfreundlich ausgelegt worden. Der Vorwurf beider Organisationen: Die Regierung habe nur die Minimalvorgaben umgesetzt, die eine entsprechende EWR-Richtlinie dem Mitgliedstaat Liechtenstein vorschreibt.
Gegen diese Schelte wehren sich das Wirtschafts- und Gesellschaftsministerium. Beide nahmen bei der Ausarbeitung der Vorlage eine tragende Rolle ein. «Es ist falsch, von einer Minimalvariante zu sprechen», schreiben die Ministerien auf Anfrage. So gehe der Regierungsvorschlag beim Mutterschaftsurlaub, bei der flexiblen Arbeitszeitregelung und beim Pflegeurlaub über die EWR-rechtlichen Anforderungen hinaus.
«Auch an Wirtschaft und Steuerzahller denken»
Doch diese Bereiche stehen gar nicht im Zentrum der Kritik – sondern vielmehr, wie der Elternurlaub bezahlt werden soll. So beanstandet etwa der LANV schon lange, dass sich ein Grossteil der Eltern unbezahlte Elternzeit gar nicht leisten kann. Eine Vergütung von staatlicher Seite wäre im aktuellen Vorschlag nur für zwei von vier Monaten vorgesehen. Die involvierten Ministerien begründen das mit der Berücksichtigung von unterschiedlichen Interessen: «Dazu gehören neben den Bedürfnissen von jungen Familien auch diejenigen der Wirtschaft und des Steuerzahlers.» Und wieder folgt ein Hinweis auf die Finanzen: Letztlich gehe es um die Frage, wer für diese neue Sozialleistung aufkomme.
Diese Frage kann schon beantwortet werden: Im Vernehmlassungsbericht ist vorgesehen, dass der bezahlte Teil des Elternurlaubs ausschliesslich von den Arbeitgebern finanziert werden soll – und zwar mit den Beiträgen, die sie in die Familienausgleichskasse einzahlen. «Somit wird auch die Wirtschaft in die Verantwortung genommen», heisst es aus dem Regierungsgebäude.
«Die Vergütung darf nicht isoliert betrachtet werden»
Die beiden Ministerien bringen noch ein weiteres Argument, warum die vorliegende Variante gewählt wurde. In den allermeisten Fällen erziele ein Elternteil beim Bezug von Elternurlaub nach wie vor die vollen Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit. Konkret: Die Politik geht davon aus, dass entweder die Mutter oder der Vater auch nach der Geburt des Kindes im gewohnten Umfang weiterarbeitet. «Darum darf die Vergütung des Elternurlaubs nicht isoliert betrachtet werden.»
Untermauert wird diese Aussage mit statistischen Daten, die besagen: Mehr als Dreiviertel der Kinder in Liechtenstein wachsen heute in Paarhaushalten auf. 96,7 Prozent der Männer und 74,9 Prozent der Frauen in diesen Paarhaushalten sind berufstätig. «Zudem stehen Eltern die Geburtenzulage sowie die Kinderzulagen und gegebenenfalls die Alleinerziehendenzulagen zu.» Durch diese Leistungen werde der Verdienstausfall während des Bezuges von Elternurlaub weiter abgefedert.
IG Elternzeit hofft auf zahlreiche Reaktionen
Die Frage, wie der bezahlte Elternurlaub dereinst in Liechtenstein konkret ausgestaltet wird, wird erst im kommenden Jahr entschieden. Während der Vernehmlassungsfrist können Verbände, Organisationen und andere Interessierte Stellung dazu nehmen. Sie haben Zeit bis Mitte März. Die IG Elternzeit hofft, dass sich zahlreiche Gruppierungen und auch betroffene Familien zu Wort melden, damit der Vorschlag noch einmal komplett überarbeitet werden kann.