Veröffentlicht im Volksblatt am 01. Dezember 2020 von Jnes Rampone-Wanger.
Stephan Agnolazza-Hoop und Orlando Wanner setzen sich zusammen mit Sarah und Lino Nägele für mehr Elternzeit ein.
Heute gewährt Liechtenstein einer Mutter 20 Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub, der Vater bekommt von Gesetzes wegen keinen einzigen Tag Vaterschaftsurlaub. Es besteht wohl die Möglichkeit, eine unbezahlte Elternzeit zu beziehen, aber das ist für viele keine Option, weil sie auf die Einkünfte angewiesen sind – gerade wenn ein Neugeborenes die Familie bereichert», sagt Elternzeit- Mitinitiant Stephan Agnolazza-Hoop und erläutert: «Wissenschaftlich gilt es als sinnvoll, wenn das Kind in seinem ersten Lebensjahr von den
Eltern oder zumindest einem Teil davon betreut wird. Fast überall in Europa wurde erkannt, dass man mehr zum Wohle der Kinder machen soll und der materielle Aufwand durch die Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes ausgeglichen wird. Wir gehören, was die Elternzeit angeht, zu den Schlusslichtern Europas. Dabei lägen die Vorteile auf der Hand: Elternzeit fördert
die positive Entwicklung und Gesundheit des Kindes, sie stärkt die Eltern-Kind-Beziehung, erhöht die Erwerbstätigkeit der Mütter und
fördert die Gleichstellung zwischen Mann und Frau. Wenn man Familien fördern will, braucht es eine bezahlte
Elternzeit.» Lino Nägele, der zusammen mit seiner Frau Sarah im Vorstand der IG Elternzeit ist, kann sich noch gut an die erste Zeit als Familie erinnern: «Als ich vor 1,5 Jahren zum ersten Mal Vater wurde, konnte ich dank der Flexibilität meines Arbeitgebers nach der Geburt zwei Wochen Urlaub nehmen. Als ich dann wieder zur Arbeit ging, blieb meine Frau zu Hause. Glücklicherweise halfen uns
Verwandte und Bekannte aus – doch wie viele haben diese Möglichkeit nicht? Da wurde mir bewusst, dass wir hier etwas ändern müssen. Sarah, Stephan und Orlando unterstützten mich und Ende letzten Jahres haben wir mit dem Projekt begonnen.»
Intensive Einarbeitung in Thema «Wir haben uns intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt, Ländervergleiche angestellt, Literatur konsultiert und uns mit Experten und Organisationen ausgetauscht. Wichtig ist uns, dass wir nicht irgendeine bestehende Lösung übernehmen, sondern die spezifischen Eigenschaften unseres Landes berücksichtigen. Es gibt heute diverse Familienmodelle
und dies ist auch richtig so. Es sollte jeder Familie möglich sein, individuell zu wählen. Eigenverantwortung und Flexibilität
sind dabei zwei ausschlaggebende Aspekte», sagt Mitinitiant Orlando Wanner. Ob sich mehr Paare für Kinder entscheiden
würden, wenn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch einen längeren Elternurlaub besser geregelt wäre, ist für Sarah Nägele
nicht sicher: «An erster Stelle steht für uns das Wohl von Familien. Wir konzentrieren uns deshalb darauf, die Rahmenbedingungen weiterzuentwickeln. Je familienfreundlicher und flexibler diese sind, umso besser. Die bezahlte Elternzeit ist dabei ein wichtiger Mosaikstein.» Dem Vorstand der IG Elternzeit ist es wichtig, dass sie den Prozess ganzheitlich angehen und möglichst viele
Meinungen abholen. Sie wollen die vorhandene Erfahrung nutzen und sind in engem Austausch mit diversen Personen und Organisationen. Zusammen mit den Vereinsmitgliedern werden sie im Dezember einen Lösungsvorschlag erarbeiten, der
aus ihrer Sicht auch politisch realisierbar ist und es Eltern ermöglicht, sich in der Zeit nach der Geburt umfassend um das Kind zu kümmern. Sarah Nägele sagt dazu: «Es gibt zahlreiche Studien, welche die Vorteile einer längeren Elternzeit belegen. So wurde unter anderem nach der Einführung von bezahlter und unbezahlter Elternzeit beobachtet, dass es eine Abnahme von Kindern mit tiefem Geburtsgewicht sowie weniger Frühgeburten und eine tiefere Kindersterblichkeit gibt. Ausserdem gibt es positive Auswirkungen
auf die langfristige Gesundheit der Kinder. Durch die Elternzeit bekommen die Familien mehr Entscheidungsfreiheit und mehr Flexibilität, um die für sie individuell passende Lösung zu finden.» (pr)
Mit einer Artikelserie setzt sich das Amt für Soziale Dienste, Fachbereich Chancengleichheit, mit der Vereinbarkeit von Familie und Erwerb auseinander. Es kommen Väter und Mütter wie auch Arbeitgebende zu Wort und berichten über ihre Erfahrungen, Wünsche und Angebote. Heute im Gespräch mit den Initianten von Elternzeit.li: Der Kommunikationsspezialist Stephan Agnolazza- Hoop lebt mit seiner Frau in Eschen. Orlando Wanner arbeitet als Compliance Officer und wohnt mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter in Ruggell. Die Naturfriseurin Sarah Nägele und ihr Mann, der Architekt Lino Nägele, leben mit ihrer Tochter in Eschen. Sarah Nägele hat nach der Geburt ihr Arbeitspensum auf 70 Prozent reduziert. Weitere Infos: elternzeit.li